Yoga – so viel mehr als nur Turnen auf der Matte. Eine Lebenseinstellung.
“Yoga ist nix für mich…”
“Ich kann kein Yoga, dafür bin ich zu unbeweglich…”
“Yoga ist mir zu langweilig…”
“Die sind mir alle zu esoterisch…”
“Ich hab keine Lust auf Singen und Räucherstäbchen…”
“Yoga brauch ich nicht, ich mach schon genug Sport…”
Ausreden bzw. Vorurteile, warum Yoga nicht das richtige für jemanden ist, vielleicht aufgrund vorheriger Erfahrungen, vielleicht aber auch nicht, gibt es viele. Ich bin das beste Beispiel, denn ganz lang in meinem Leben fand ich Yoga auch ziemlich doof, wie ich auch schonmal in einem Blog erzählt habe. Dabei kann jeder, aber wirklich jeder, ein Yogi sein. Auch ohne Lotussitz und Knoten in den Beinen und vielleicht sogar ganz ohne Matte. Hier erzähl ich dir, warum ich das so sehe.
Herkunft und Bedeutung des Wortes Yoga
Das Wort Yoga stammt vom altindischen Sanskrit Wort „yuga“ („Joch“) und dem dazugehörigen Verb „yui“ ab, was so viel bedeutet wie „zusammenbinden, anschirren, anjochen“. Ein Joch ist der Teil des Geschirrs, der das Zugtier mit dem Wagen verbindet. Ausgehend von dieser Bedeutung spannt der Geist (der Wagenlenker) die fünf Sinne (die Zugtiere) vor den Körper (den Wagen) und gibt diesem die Richtung an. Sinnbildlich kann somit Yoga als die Verbindung von Körper, Geist und Seele bzw. als Einswerden mit dem Bewusstsein interpretiert werden.
Ziel des Yoga
Jeder Mensch kann seine ganz eigenen Ziele haben, die er mit Yoga verfolgt. Das ursprüngliche, traditionelle Ziel ist es jedoch, frei zu sein von Leid und Sorgen bzw. Erleuchtung und Selbsterkenntnis durch Meditation zu erreichen. Durch Yoga stellen wir eine Verbindung des menschlichen Geistes mit dem höchsten universalen Geist her. Mancher mag diesen universalen Geist Gott nennen, andere Universum… Wähle den Begriff, der für dich passt.
Ist es nicht unser aller Bestreben, inneren Frieden und Glück zu erreichen, also unser wahres, authentisches und glückliches Leben zu leben?
Demnach ist Yoga viel mehr als ein Workout auf der Matte. Es geht um das Leben selbst. Dabei ist es weder Sport, noch Religion. Es ist ein Leitfaden für körperliche und geistige Gesundheit, bei der die eigene Erfahrung im Mittelpunkt steht. Beim Yoga, wenn wir bewusst üben, erleben wir, wie der Körper den Geist und der Geist den Körper beeinflussen kann und wie wir das für uns nutzen und eine positive Lebenseinstellung etablieren können – auf der Matte und jenseits der Matte.
Und wie genau sieht das aus? – Der Yoga Weg
Wir haben nun schon eine Ahnung, dass Yoga mehr ist, als nur ein Wort mit vier Buchstaben. Es kann der Weg zu einer positiven Lebenseinstellung und einem glücklichen Leben sein.
Patanjali, einer der bekanntesten Yoga-Philosophen und Verfasser des Yoga Sutra sagt: “yogaś citta-vrtti-nirodhah” – Yoga ist das Zur-Ruhe-Bringen aller Aktivitäten des Geistes. Du musst dir den Geist wie einen Ozean vorstellen. Wenn viel Unruhe im Außen ist, z.B. viel Wind, dann entstehen Wellen und es werden Sedimente aufgewirbelt. Das könnten unsere Gedanken sein. Wenn der Wind still ist, der Ozean spiegelglatt und das Wasser ruhig, dann wird die Sicht klar und du kannst tief hinunter ins Meer blicken. So ist es auch mit unserem Geist, wenn wir es schaffen, die Gedanken zur Ruhe zu bringen. Patanjali beschreibt diesen Weg, die 8 Stufen des Yoga auf der Suche nach der Seele, wie folgt:
Stufe 1: Yama – allgemein ethische Gebote
Aus dem Sanskrit wörtlich: Selbstkontrolle. Es gibt fünf Yamas, die eine Art ethischen Verhaltenskodex, also den Umgang mit der Umwelt, bilden. Hier sind die fünf Yamas und ein paar Denkanstöße dazu, um zu dem Thema ein bisschen zu reflektieren.
Ahimsa – Gewaltlosigkeit: Wie achtsam und gewaltfrei gehst du mit der Umwelt und auch mit dir um? Dazu zählen auch Gedanken über dich selbst und andere oder der Umgang mit deinem Hund: “Nein, aus, pfuuuuiiiiiii…!!!”
Satya – Wahrhaftigkeit: Wahrhaftig sein in Worten, Taten und Gedanken. Stimmen diese immer überein? Wie oft denken wir etwas, das wir uns nicht trauen würden, laut auszusprechen?
Asteya – nicht stehlen: Dass wir keine Bank ausrauben, ist klar, den meisten… Es geht aber nicht nur um materielle Dinge, sondern auch um geistiges Eigentum und darum, sich nicht mit fremden Federn zu schmücken.
Brahmacharya – Streben nach Weisheit: Damit ist gemeint, dass wir uns auf das konzentrieren, was uns der Weisheit näher bringt, uns auf das Wesentliche konzentrieren. Und nicht auf die weltlichen Ablenkungen und Gelüste, wie auch immer die für jeden einzelnen von uns aussehen.
Aparigraha – Nehmen mit Maß und Ziel: Warum muss ich unweigerlich an All-Inclusive-Urlaube und All-You-Can-Eat-Buffets denken? ;)
Stufe 2: Niyama – Regeln der Selbstdisziplin
Aus dem Sanskrit wörtlich: Einschränkung. Es gibt fünf Niyamas, die einen Verhaltenskodex im Zusammenhang im Umgang mit sich selbst, der Selbstdisziplin, darstellen.
Saucha – Reinheit, Sauberkeit: Es geht um innerliche und äußere Reinheit gleichermaßen, ob es schlicht die Körperhygiene ist oder ein sauberer Ort, an dem wir unsere Matte ausrollen.
Samtosa – Bescheidenheit, Zufriedenheit: “Be at ease with what is” sagt einer meiner Yogalehrer oft. Das passt für mich in diesem Zusammenhang sehr gut.
Tapas – den Körper gesund und fit halten: Dafür machen wir Yoga. Aber es gehört ja noch viel mehr dazu. Wie gestalte ich meinen Alltag? Meine Ernährung?
Svadhyaya – Reflexion und Selbsterforschung: Durch Selbstreflexion kommen wir uns selbst näher. Wir betrachten und hinterfragen unser eigenes Denken und Handeln, können unseren Weg korrigieren und werden uns selbst bewusster.
Ishvarapranidhana – “Gottvertrauen”, Zuversicht: Eine der schwierigsten Aufgaben, für mich zumindest, nicht nur wegen der komplizierten Aussprache. ;) In herausfordernden Situationen gelassen zu bleiben, voller Vertrauen und Zuversicht, dass das Leben für mich und am Ende alles gut ist. Diese Geisteshaltung fällt mir nicht immer leicht.
Stufe 3: Asana – Körperhaltung
Erst hier auf der dritten Stufe begegnen uns die Asanas, die Körperhaltungen, die bei uns in der westlichen Welt am meisten mit Yoga in Verbindung gebracht wird. Asana bedeutet im Sanskrit wörtlich “Sitz”. War es doch das Ziel, durch die körperliche Ertüchtigung den Körper auf langes Sitzen in der Meditation vorzubereiten.
Yoga wird zum Yoga und unterscheidet sich von Gymnastik, wenn wir bewusst praktizieren. Dazu gehört das achtsame Hineingehen in die Position, das bewusste Verweilen in Verbindung mit der Atmung und das achtsame Auflösen der Haltung. Beim Üben der Asanas gilt es zudem immer zweierlei Aspekte zu beachten: “sthira-sukham asanam” schreibt Patanjali in seinen Yogasutren. “Stabil und leicht” darf es sein, nicht tiefer, schwieriger, verknoteter, anstrengender. ;)
Stufe 4: Pranayama – Atembeherrschung
Prana bedeutet übersetzt “Lebensenergie” und ayama “kontrollieren”. Und wenn wir uns bewusst machen, dass der Atem gleichzusetzen ist mit Leben, dann erschließt sich uns die Übersetzung. Der Atem ist unser Anker zur Gegenwart. Wenn wir uns auf ihn konzentrieren, gelingt es uns, im Hier und Jetzt zu sein. Darüber hinaus können wir durch bewusste und achtsam geübte Atemtechniken auf Prozesse in unserem Bewusstsein wie auch in unserem Körper Einfluss nehmen. Beobachte dich doch mal: Nimmst du nicht auch manchmal ganz automatisch einen tiefen Atemzug in einer schwierigen oder stressigen Situation, um dich wieder zu regulieren und Ruhe in dein System zu bringen?
Stufe 5: Pratyahara – Rückzug der Sinne
Der Atem ist die Verbindung zwischen Innen & Außen und Außen & Innen. D.h. wir verlassen nun die äußere Ebene unserer Verhaltensweisen und unseres Körpers und kehren allmählich nach Innen. Wir leben in einer Welt der Reizüberflutung. Ständig neue Reize fordern unsere Aufmerksamkeit und beschäftigen unser Gehirn. Alltagsgeräusche, Straßenlärm, Mitteilungen auf dem Telefon, Vibrationsalarm, TV und Video, tausende Gerüche – angenehme und unangenehme – Werbung, Nachrichten … Ihr könnt die Liste beliebig fortsetzen. Ist das nicht anstrengend? Wäre Rückzug und Stille da nicht eine willkommene Abwechslung und einfach nur eine Wohltat? Pratyahara ist das Ergebnis, wenn wir unsere Gedanken von der Herrschaft der Sinne und der äußeren Gegenstände zurückziehen und befreien. Der Atem (Pranayama) hilft uns dabei. Und wenn wir Pratyahara erreicht haben, sind wir bereit für Dharana, die nächste Stufe.
Stufe 6: Dharana – Konzentration
Um Dharana zu erreichen, fokussieren wir bewusst und aktiv unseren Geist auf eine Sache, genau EINE, und konzentrieren uns auf sie. Das kann sein, auf der Yogamatte zu sitzen und sich auf den eigenen Atem zu konzentrieren oder einen Gedanken, ein Mantra, ein Punkt im Körper, wie z.B. das dritte Auge (Ajna Chakra). Ebenso konzentriert könnten wir stricken, Gemüse schnibbeln oder unseren Hund kraulen. Das wichtigste ist, konzentriert bei dieser einen Sache zu sein. Klingt einfach, wenn du deinen Geist und deine Gedanken aber einmal beobachtest, wirst du feststellen, dass diese oft wie ein Flummi wild durch die Gegend hüpfen. Mit Dharana fangen wir den Flummi wieder ein und halten ihn fest.
#sidenote: übrigens haben Forscher herausgefunden, dass die Konzentration auf eine Sache glücklicher macht. Dabei spielt es gar keine so große Rolle, ob die Sache, die wir tun, unsere Lieblingsbeschäftigung ist oder nicht.
Stufe 7: Dhyana – Meditation
In der Yoga Philosophie bezeichnet Dhyana die höheren Bewusstseinszustände der Meditation oder der Versenkung. Es ist die Erfahrung der reinen Beobachtung des Selbst. Das menschliche Ego und die Gedanken spielen keine Rolle mehr. Dr. Joe Dispenza würde sagen: “Become nobody, no one, nothing, nowhere, in no time.”
Stufe 8: Samadhi – Zustand des Überbewusstseins
Samadhi ist die letzte Stufe des 8-gliedrigen Pfads und gleichzeitig die höchste Stufe der Meditation. Es ist die Verschmelzung des eigenen Bewusstseins mit dem Überbewusstsein. Das Eins-sein mit dem großen Ganzen, dem Universum oder wie immer du es nennen möchtest.
Fazit
Ich hoffe, ich konnte dir ein wenig näher bringen, was Yoga eigentlich ist bzw. was es sein kann. Wie du den Weg für dich gehen möchtest, ob du ihn überhaupt gehen möchtest und mit welchen Umwegen und Abzweigungen, das ist völlig dir überlassen.
Du kennst nun meine Einstellung dazu ein wenig besser. Und wenn diese mit deiner resoniert, dann freue ich mich, wenn wir den Weg ein Stückchen gemeinsam gehen.
Danke Simone, durch dich und diesen Artikel bekommt Yoga für mich plötzlich eine andere Bedeutung und eine Wertigkeit. Bis dato hab ich mich nämlich standhaft gegen das “Turnen auf der Matte” gewehrt. Nachdem es das aber nicht ist, höre ich nicht mehr auf meinen inneren Schweinehund und gebe Yoga eine neue Chance.
Vielen Dank für deine Rückmeldung! Das freut mich so sehr. Es ist meine große Mission Yoga (und seine Heilkräfte) viel mehr Menschen auf moderne und undogmatische Art und Weise zugänglich zu machen. Jeder Mensch mehr auf der Matte ist ein Erfolg! :)
[…] Doch letztendlich ist es unser gesamter Lebensstil, mit all seinen Facetten, der sich auf unser Wohlbefinden auswirkt. Lies hierzu auch meinen Blog: Yoga – mehr als nur Turnen auf der Matte, eine Lebenseinstellung. […]
[…] den achtsamen Aspekt wäre Yoga nur Turnen auf der Matte. Aber, wie du ja schon weißt, ist Yoga viel mehr. Die Verbindung von Atem und Bewegung, der Fokus der auf sich selbst, das Ausrichten der Sinne nach […]
[…] Dass Yoga mehr ist, als nur Turnen auf der Matte und was für mich alles dazu gehört, kannst du hie… […]
[…] Die Achtsamkeitspraxis, die wir im Yoga entwickeln, wird sich auf alle Bereiche unseres Lebens ausdehnen. Indem wir achtsam essen, gehen, sprechen, zuhören, … entwickeln wir eine tiefere Wertschätzung für die kleinen Freuden des Lebens. Achtsamkeit und Yoga werden zu einer Lebenseinstellung. (Lese dazu auch: Yoga – mehr als nur Turnen auf der Matte) […]